Psychologischer Blick auf die Hintergründe und Dynamiken des Burnouts - als Grundlage für die Entwicklung nachhaltiger Perspektiven des Ausweges
Zum Denksystem dem wir unterliegen
Unsere Weltordnung befindet sich an einer Stelle, die durch Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Stagnation gekennzeichnet ist. Die Notwendigkeit neue Herangehensweisen zu entwickeln offenbart sich an jeder Ecke. Mottos wie „Krise als Chance“ verkünden gleichzeitig Hoffnung und guten Willen aber auch Ratlosigkeit. Was unseren individuellen Handlungsethos betrifft, so ist er stark am Wert der selbstständigen und unabhängigen Leistungskraft ausgerichtet und von kon- kurrenzbezogener Einzelkämpfermentalität geprägt. Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist Unabhängigkeit die notwendigerweise auf Abhängigkeit folgende Phase. Sie ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Da sie auf Konkurrenz beruht ist sie nicht nachhaltig, nicht Ressourcen schonend, nicht partnerschaftlich, nicht visionär und somit letzten Endes auch nicht gesund und nicht erfolgreich. Verlustängste, Festhalten an alten Strukturen und Strategien und die Beobach- tung, das diese nicht mehr greifen, führen zu Resignation und beginnen das ganze Wertesystem in Frage zu stellen. In Unabhängigkeit stecken zu bleiben bedeutet, dass wir die Kurve nicht kriegen, die uns auf die Ebene der Partnerschaft und Gemeinschaftlichkeit führen könnte. Wir glauben daran, dass es immer einen Verlierer geben muss und wir kämpfen mit unserem Handeln gegen die Angst an, zum Verlierer gemacht zu werden. Das vermehrte Auftreten von Burnout ist Ausdruck dieser Dynamik. Im Kleinen des individuellen Handhabungsprozesses ist sie genauso aktiv wie im wie im Großen der Entwicklung von Unternehmens- und Wirtschaftsprozessen.
Die Zeitqualität, die es unterstützt
Ein weiterer, unsere Zeit prägender Faktor ist der der Beschleunigung des Bewusstseins. Die Beschleunigung in den Arbeitsprozessen und der Geschwindigkeitsdrang, der vielerorts als Stress erlebt wird, ist auch eine unbewusste Reaktion auf die Beschleunigung der Schwingungsfrequenz unseres Planeten. Wassermannzeitalter, Präzession der Erdachse, 2012, Klimawandel... Egal ob man daran glauben will oder nicht, die zunehmende Beschleunigung von Kommunikations- und Entwicklungsprozessen ist nicht allein eine Ausgeburt der gierigen und denaturierten Systeme und Gesellschaften. Auch die Natur verändert, reinigt und erneuert sich in wachsender Geschwindig- keit. Alles was dem Wandel entgegensteht muss gehen. Alle Energie, die nicht mehr auf die alte Art gebraucht wird, muss sich verändern - alle Verkrustungen werden entweder aufgelöst oder gesprengt. Wie der Einzelne so sind auch alle Strukturen gezwungen, ihre Sinnhaftigkeit zu über- denken und zu optimieren.
> Unsere Reaktion darauf
Da es in vielen Bereichen an Sinn, Wert, Verbundenheit, Kooperation, Partnerschaft, ideellen sowie visionären Maßstäben und Ausrichtungskriterien mangelt, ist es nicht verwunderlich, dass das meist genutzte Entscheidungskriterium für Veränderung im wirtschaftlichen Wachstum gesucht wird. Dadurch werden Unternehmensphilosophien, die von Natur aus die Ideale und Visionen aller Beteiligten verkörpern, auf ihren Marktwert reduziert und somit zerstört. Auf angespannte Finanzentwicklungen mit Angst und Konservierungsplänen zu reagieren erschwert die Orientierung, weil es uns für den anstehenden Entwicklungsschritt blind macht. Konservierende, durch Angst motivierte Verhaltensweisen ziehen mehr von dem an, wovor sie eigentlich schützen sollen. Konservativismus in einem Moment, in dem Innovation gebraucht wird ist nicht zu rechtfertigen.
Psychologische Betrachtung von Problemen und Überzeugungen
Aus psychologischer Sicht ist es unmöglich, eine Betrachtung äußerer Ereignisse anzustellen, ohne sie als direkten Ausdruck von inneren Dynamiken zu sehen. Niederlagen, Konkurse, Wachstum, Wohlstand oder eben Burnout stehen immer in Zusammenhang mit der betroffenen Person oder dem betroffenen System. Individuell, als Team und auch kollektiv sammeln wir in allen Lebens- und Entwicklungsphasen aufgrund unseres Erlebens Erkenntnisse und Über- zeugungen, die zu Grundlagen und Maßstäben unseres künftigen Handelns werden. Die Grauzone unseres defizitären oder Mangelbewusstseins ist riesig und wirkt bewusst oder unbewusst immer in unsere Erkenntnisprozesse hinein. Dies zu berücksichtigen, bedeutet auch anzuerkennen, dass jede Erkenntnis und jede Überzeugung auf einer erfahrungsmässigen Interpretation der Erlebnisse unserer Vergangenheit beruht.
Bezüglich jeder Entscheidung, die wir je getroffen haben und aufgrund derer wir Überzeugungen entwickelt haben, besteht allerdings immer die Möglichkeit der Korrektur. Das ist besonders hilfreich, wenn es sich um negative Überzeugungen handelt, die die Grundsubstanz von Stress und Krisen bilden. In dieser Blickweise liegt Grund für neuen Mut und Glauben in Krisenzeiten: persönlich, zwischenmenschlich und weltwirtschaftlich. Slogans wie "Krise als Chance“ müssen, wenn sie nicht auf wackliger Beschwichtigung basieren wollen, diesen Hintergrund benutzen.
> Zur Dynamik und Gewohnheit von Druck
Das Thema Burnout tritt an der Schnittstelle zwischen innerem und äußerem Druck auf, und ist deshalb als ein Thema der Handhabung oder des Umgangs anzusehen. Äußere Anforderung trifft auf unsere eigenen Erwartungs- und Anspruchsmuster. Unser Umgang mit äußeren Impulsen ist meist reaktiv, also gewohnheitsmäßig und durch unser Rollenverhalten und unsere Konditionier- ungen geprägt. Aus funktionaler Sicht sind Druck und Kraft ähnlich anmutende Dynamiken sowohl körperlich als auch seelisch und geistig. Da Druck durch Kraft erzeugt wird, ist es verständlich, dass wir versuchen, Gefühle wie Schwäche, Antriebslosigkeit, Stillstand, Unzufriedenheit oder Zukunftsangst durch Druck zu kompensieren oder zu bekämpfen, um uns stärker zu fühlen.
So verwechseln wir Effizienz mit Betriebsamkeit und investieren in eine Art Schattenboxen gegen unsere eigenen negativen Gefühle. Vom ersten derart motivierten Handlungsimpuls an sind wir damit auf dem Holzweg in die Burnout-Falle. Provokant eigenverantwortlich dargestellt wirkt Druck in der Stress- und Bournout-Dynamik so: Die durch Gewohnheit gestaltete Disposition ist es, die dazu führt, dass wir genau die Anforderungen suchen, die es uns erlauben, das Maß an Selbstüberforderung zu erleben, das zu dem Maß an Frustration führt, das wir brauchen, um einen Grund zu haben uns weiter unter Druck zu setzten. Die mit der Zeit stattfindende Wieder- holung und zur anhaltenden "Triebbefriedigung" notwendige Steigerung dieser unbewussten Mechanismen verursachen irgendwann den psycho-physischen Kollaps. Der Unterschied hiervon zur gesunden Ermüdung liegt im Zusammenbrechen aufgrund der Erschöpfung der Ressourcen aller Ebenen; also sowohl geistig, seelisch als auch körperlich. Burnout passiert einem nicht, man entwickelt sich dahin.
Wenn wir hier noch einmal die entwicklungspsychologische Perspektive bemühen, erkennen wir, dass der Burnout meist in Phasen unseres Lebens auftritt, in denen wir beginnen zu ahnen, dass unsere in der Kindheit entwickelten Rollenverhalten mit allen kompensierenden Strategien nicht mehr hilfreich sind. Was in unserer Handlungsweise schon immer als „letzte Rettung“ gedient hat, wird plötzlich zum Fluch. Aufopferung verhindert, dass wir uns selbst in unser Handeln einbringen und die weiblichen Handlungsaspekte des Empfangens und Genießens von Zufriedenheit und Erfolg zulassen. Somit bewirkt Aufopferung das wir auf unwahre männliche Weise über unsere Grenze gehen, anstatt sie durch Hingabe an das was wir tun zu erweitern.
> Die Herausforderung bei der Positionierung
Die Burnout-Thematik trägt etwas Bedrohliches in sich. Wie bei jeder Bedrohung wird ein nahen- des Ende visualisiert, erahnt oder sogar körperlich erlebt. Durch „Burnout“ ist auf individueller Ebene ein Symptom entstanden oder geschaffen worden, das unser „zivilisiertes“ Wirtschafts- system bedroht, indem es Fehlentwicklungen dieses Systems erahnen lässt, die so grundlegend sein müssen, dass wir sie nicht erkennen. Ähnlich wie beim „Stress“ hat sich ein noch klinischeres und ernst zu nehmenderes psychologisches Phänomen einen Platz im Arbeitsleben erstritten. Das Mass an Befangenheit im Umgang mit dem Thema ist erheblich. Selbst wenn es anders scheint, sind alle zu einem gewissen Maß "Opfer und Täter" der gegenwärtigen Entwicklungen. Ein Manager, der in tauber Unabhängigkeit über Leichen geht, investiert genauso falsch, wie ein Angestellter, der den Stress seines Unternehmens aufsaugt und daran zugrunde geht. Die Bournout-Dynamik kann aus jeder Rolle die wir spielen bestens bedient werden. Schuldige zu suchen und Lösungsvorschläge nach dem Verursacherprinzip zu entwickeln führt nicht über das Schattenboxen gegen Symptome des Problems hinaus. Beispielsweise sind der Angriff auf die strukturellen Zwänge, die Arbeitsumstände und die Höhe des Arbeitsaufkommens verständlich und vielleicht sogar hilfreich. Ohne eine Etage tiefer zu schauen kann der Teufelskreis der Resignation im Umgang mit Burnout nicht durchbrochen werden, weil das Potential des mit der Lösung des Problems verbundenen Entwicklungsschrittes verkannt und die Lektion nicht gelernt werden kann. Die Schwierigkeit liegt darin, einen Glauben in etwas zu entwickeln, was noch nicht da ist. Da alte Maßstäbe nur alte Ergebnisse schaffen können, muss Vertrauen in neue unbekannte Maßstäbe gesetzt werden, ohne wissen oder kontrollieren zu können, welches Ergebnis sie mit sich bringen werden. Es bedarf der Bereitschaft, die gewohnte Kontrolle zu lockern und Partei für unsere Vision zu ergreifen.
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